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Blech

Der Tisch direkt neben dem Eingang ist eigentlich der Katzentisch. Er ist winzig, es passen nur zwei Stühle daran, er ist eingekeilt zwischen Kneipentür und einer Ausfahrt, so daß derjenige, der in der Nähe der Tür steht, permanent durch Weizenbiergläser gefährdet ist, die den Bedienungen vom Tablett purzeln, und so daß derjenige, der in der Nähe des Garagentors sitzt, permanent durch Autofahrer gefährdet ist, die die Ausmaße ihres Automobils minimal falsch einschätzen (ist auch die Zufahrt für den Wirt, gleich in welchem Zustand). Zudem ist die Tischplatte aus Blech. Das ist für sich genommen nicht schlimm, doch unter Belastung biegt sich das Blech stark durch. Das führt zu folgender Begebenheit: “Es ist eigentlich ganz gut keine Beziehung zu haben, in Beziehungen gibts zuviel, was sich nicht gehört”, nuschelt der kundenaversierte Buchhändler, der beim Reden die Zähne nicht auseinander bekommt, weil ein konstantes Grinsen zu seinem Habitus gehört. Gehör? Gehörnt? Der Zuhörer beugt sich vor, sein Gewicht belastet die Tischplatte, der Buchhändler wiederholt das Gesagte, der Zuhörer sagt “ah sooo!”, lehnt sich zurück, die Feder entspannt sich und katapultiert ein Glas Bier in den Schoß des Buchhändlers. Es ist gut, daß diese Begebenheit frei erfunden ist (es macht nur boing, und die Gläser wackeln ein bischen), denn sonst hätte der Buchhändler nicht die lakonische Geschichte über die Eltern eines entfernten Bekannten erzählt. Nach einer weitschweifigen Einleitung: “Es gibt ja Männer, die gehen in den Puff…”, gelangte er schließlich zur Trennung der Eltern. “Als es bei uns schwierig war, suchte meine Mutter Trost bei Nachbarn. Täglich ging sie zu den Nachbarn, und schüttete dort ihr Herz aus. Nun, dort…suchte mein Vater keinen Trost.” Der Tisch ist deshalb so beliebt, weil dieser Tisch eigentlich derjenige der alten Männer ist. Von hier aus, mit dem Rücken zur Wand, gegen Umstürze gefeit, hat man den Überblick über den gesamten Biergarten. Wenn man sich nicht mehr fortbewegen kann, dann bleibt einem nur der Panoramablick. Früh übt sich, und einer von beiden trägt schon jetzt eine Brille.