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Bud(dha)weiser

`Na Wirt? Wieder trocken?` Der Wirt nimmt die Brille ab und reibt sich die Lider. Deprimiert und verkatert, nicht um eine Antwort verlegen: `Die einzige Weise, nicht an allem schuld zu sein ist unzurechnungsfähig zu sein. Ich arbeite dran.` Der Plasma-Bildschirm ist im Winkel zwischen Decke und Wand direkt über den Türen zu den Toiletten angebracht und sieht auf die Schar der Sünder herab. Ein Nachrichtenmagazin berichtet über Krisen, die von Menschen erzeugt werden, die die Notwendigkeit ihrer Machtausübung durch die Krisen rechtfertigen, die sie selber hervorrufen. Abgekupfert vom Beweis der Existenz Gottes aus der Notwendigkeit seiner Existenz. Der übergewichtige Büchernarr kommentiert den Bericht über die Gesundheitsreform: `Buddha hätte es schwer gehabt, ne Krankenversicherung zu finden. Adipös. Zu wenig Bewegung. Aber dann kluge Weisheiten predigen. Das haben wir gerne.` An Fronten im Libanon werden Truppen und Proviant verschoben. Die Generäle und Verteidigungsminister, die Gotteskrieger und die Führer der Hisbollah wissen genau wer sie sind und was zu tun ist. Der Wirt hat Recht. Die Gefahr geht von Zurechnungsfähigen und Selbstgewissen aus. `Unbewußtes? Verdrängung? Wir verteidigen hier die Demokratie.` Uns Zuschauern und Mitsäufern hat Freud einen dermaßenen Schrecken eingejagt. Verdrängtes zum Vorschein zu bringen ist für uns eine so starke Drohung, dass wir uns lieber sagen lassen wer wir sind und woran wir glauben. `Schwachsinn da einzumarschieren`, urteilt der Vertrieb, der immer lügt, `Schließlich ist die Drohung stärker als ihre Ausführung`. Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung. Zur Besserung von was? Der Blick in den Abgrund des Ich als Inspiration gesellschaftlicher Verbesserungen, das ist wohl kaum gemeint. Das Klischee ist nicht revolutionär, sondern will Konformität. Es geht um die Besserung, die man geloben soll. Der Wirt nimmt den Nachwuchsautoren in den Arm und tröstet ihn: `Da Christus im Kopp! Da kannst Du noch so kluge Sachen schreiben. Du kannst da nix für. Massen sind nur revolutionär, weil sie nich nachdenken. Der Mensch in der Masse is was grundsätzlich anderes als der Mensch in der Gruppe oder allein.` Der kundenhassende Buchhändler muß sich strecken, um dem wohlbeleibten Bücherwurm über die Schulter zu schauen. Der notiert auf seiner Handfläche: `Wo schlägt die Menge in die Masse um? Wo verläuft die Grenze von Mikro- und Makrokosmos? Wie weit reicht der Geltungsbereich der Quantenphysik und der Geltungsbereich der Relativitätstheorie? Sind all diese physikalischen Erklärungsmodelle nur Ausdruck eines psychologischen Dilemmas? Brauchen wir die Great Unifying Theory für Psychologie und Soziologie? Die Quantenpsychosoziologie?` `Das is zwar n Umschlagsplatz`, flüstert der Buchhändler, `aber nur für Getränke.` Weil Selbsterkenntnis der erste Weg zur Besserung ist sind wir auch morgen blau. Dann sind wir zwar so wie wir sind, aber erkennen uns absolut nicht wieder.