Well who am I?
…wundert sich nicht nur The Divine Comedy. Hört. Hurt. Hört gar nicht mehr auf
sich zu wundern, weil die CD hakt. Die Gäste akzeptieren die Grenze zur Verbotenen
Zone hinter dem Tresen, obwohl diese verwaist ist, weil Minimax, der Azubier mit der
Hygienephobie, mit dem beschäftigungslosen Koch in der Küche tratscht, den
hier alle nur Neelix nennen. Dementsprechend erbarmt sich niemand der ins Stocken
geratenen Göttlichen Komödie, Helluhmanney…Helluhmanney…so dass Musik tatsächlich
wenigstens mal zum Randthema in einer Bieroglyphe gerät.
Wer bist Du denn eigentlich? fragt sich Skellington, als aus dem Nichts am Ende der Welt,
also am anderen Ende des Tresens der Este sich weit ins Etwas hinein lehnt und ebenso
ansatzlos wie kontextfrei herausschleudert: “Ihr versteht doch nix vom Schach!”, nachdem
er stundenlang dumpf vor sich hin gebrütet und zwischendurch seinen starren Verhörblick
auf Minimax Gesicht geheftet hatte, der unbehaglich grinste und fest stellte: “Du guckst
aber streng”, worauf hin der Este niedergeschlagen auf seine Exotenpfoten herunter sah,
deren gereiztes Trommeln auf dem Tresen`Dark Star`zitierte, ein Film, der den nach-
drückenden Gästen und Bediensteten nicht mehr bekannt war, da bislang kein Remake
existierte.
“Ne, Alter!”, reflektiert Skellington, “Du bist ja so schräg drauf, dass Du Dein Pils
verschüttest”, lässt es ansonsten aber erstaunlicher Weise auf sich beruhen. Er spielt
nicht Schach und hat sich zudem mit Löschzwergen so luzide gesoffen, dass ihn
die Verzweifelung und Einsamkeit des soziopathischen Brüllaffen sanftmütig stimmen,
und der Widerstreit eines aufbrausenden Temperamentes und einer grundsätzlich
niederschmetternden Gemütslage sowieso. “Das sind keine schlechten Menschen”,
stellt er halblaut klar ohne auch nur den geringsten Hinweis darauf auf wen sich
diese Feststellung bezieht. Damit hat sich für ihn die Sache erledigt. Muß ja nicht
immer mit Müllsackhüpfen enden…
Bierko kann nicht widerstehen und entgegnet dem Esten:
“Du hast Recht, aber viel wichtiger ist ein spritfreies Urinal. Den Verschreiber habe
ich grade auf toilettendeckel24.org gefunden, da gibts auch ne Kolumne Worauf man
beim Kauf eines Toillettendeckels achten sollte. Ich find auch interessant, dass
Vegetarier zur Kürbissigkeit neigen.”
Bierko tunkt beim Sprechen seine Nase in eine Nuscheltüte aus Bierschaum, damit
man ihn missverstehen kann. Die verwaschene Aussprache ist ein Notausgang.
Jede Beleidigung (WIE BITTE?) hat mit Verweis auf ein akustisch bedingtes
Missverständnis niemals stattgefunden, ist somit nicht einmal aus der Welt zu
schaffen, da sie ja überhaupt nicht existiert hat.
Der Schlingel kommt stets mit der Harmlosen-Nummer davon. Der treuherzige Blick
eines ebenso gutmütigen, wie unterbelichteten und kastrierten Kolosses in
einem Märchen. Der gefälschte Duktus eines schüchternen Mädchens, Kater Karlo
im rosa Kleidchen, der umschlägt in semantikfreies Gegröhle, um kurz umzuschwenken
zur Beileidstimme eines bösen Onkels, der einem dummen Kind die existenzialistische
Moral einer Moritat erklärt, welche darin besteht, dass doofe Kinder nicht aus Schaden
klug werden können.
So satt Camouflage, dass statt Aggression Irritation herrscht, wie bei Hunden, die im
Stadtpark mit einem angeleinten Waschbär konfrontiert werden.
“Drauf geschissen”, murmelt Skellington und meint damit sowohl die eheliche Abend-
planung, die ihn als Koch vorgesehen hatte (schon vor Stunden, als er über die
Zubereitung von Lachsfilets in der Spülmaschine referierte), als auch die imaginäre
Grenze zur Verbotenen Zone. “Dieser Lärm geht mir voll auf den Sack!”, und drückt
auf eject.
Vielleicht ein Fehler, weil man jetzt den Dialog zwischen dem Esten und Strothmann
hören muss, der sich mittlerweile aus der Verschwundenheit des am Kneipenboden
Liegens wieder an die Oberkante des Tresens empor gearbeitet hat, das Comeback
eines Abgestürzten.
“Je mehr Informationen desto rascher gespeichert und transferiert werden” brabbelt
Doc Strothmann, “desto kürzer wird die Geltungsdauer politischer Beschlüsse.
Wenn Quantencomputer ins Stadium der Industrialisierung gelangen bedeutet jede
politische Entscheidung, dass sie sofort zugunsten einer anderen Entscheidung
verworfen wird, und selbst das ist nicht verlässlich.”
“Is mir egal”, mault der Este, “ich werd mich nie ehrenamtlich arrangieren.”
Natürlich bleibt völlig schleierhaft welcher Zusammenhang zwischen diesen Äußerungen
besteht. Mit Skellington gehen derwall spontan die Gäule durch, geht ab wie Rigby
Reardon auf Reinemakerfrau.
“Der Hoeness gehört in den Knast. Wir sind eben nicht alle kleine Hoenesse, weil es keine
kleinen Hoenesse gibt. Nur diese Großkotzigen, die meinen es ist völlig in Ordnung wenn
sie sich auf Kosten der Allgemeinheit die Taschen voll machen und dann noch darüber
meckern, wenn es in den Schulen auf die ihre Kids gehen keinen Beamer gibt.”
Bierko versteht Hornissen, er arbeitet im Kopf grade das webdesign für eine Agentur
aus, die Agentur de France heißen soll, jetzt braucht es also nur noch die Agentur,
befindet sich ergo im Modus `ich mach mir die Welt widewi das Wortspiel mir gefällt`.
Wortspieltheorie. Das Auto als Blechmittel. Adidas und Badedas machen Uli
Hoeness nass. Loch HöNess. Wie auch Sammer.
Stammgäste, die eben noch gar nicht da waren, entern das Absud und beteiligen
sich an der Debatte. Der Mann mit Prinzipien bezieht Position und ergreift Partei:
“Ich sachs ungern, aber da geb ich dem Gerippe Recht. Außerdem wenn man Steuern
sparen will kann man auch stiften gehen.”
Des Risikos ist der Mann mit Prinzipien sich bewusst. Stimm Skellington zu und der ist
nicht mehr zu einzufangen, kommt von Hölzken auf Regenwald:
“Aber das eigentliche Problem ist, dass wir als Mensch scheiße sind. In Syrien verrecken
die Leute und uns kümmert nur die Götzedämmerung. Ich find auch mich scheiße, ich
könnte ja statt hier Bier zu saufen und darüber zu reden was alles schief läuft mich einer
Hilfsorganisation anschließen und mit anpacken.”
“Wieso”, empört sich der Große Bauer, der inzwischen auch die Brane zwischen
Alltag und Stammkneipe überschritten hat, welche sich bei exakter mathematischer
Berechnung als absolut indifferent erweisen, “ich rette doch keine Kinder damit sie
zu anständigen Dschihadisten werden.”
Halt halt mein Freund, wer wird denn gleich in die Luftgruft gehen.
Robin Sun, aus dem Schlaf der Vernunft zu Hause ohne Umweg direkt hier in der
Unvernunft erwacht beruhigt Skellington: “Mach Dir keine Vorwürfe. Leute wie Du
helfen am besten indem sie sich raushalten.”
Skellington lacht befreit: “Darauf nehm ich noch einen.”
Es läuft wieder Musik. Das Heimkehrerlied von Peter Licht. Die Manschaft von der
Peepe ist zur Stelle. Die Klötzchenschieber spielen in Ermangelung eines freien
Tisches Blindschwach. Konsul La Kai hält prächtig Suff, breitet Schwingen aus,
deren Pfauenfedern seine Ex-Freundinnen sind. Der Laden ist blechend voll.
Der Laden ist leer. Ein Statist. der noch keinen Spitznamen und noch keine Nummer hat
kauert allein im selbstähnlichen Absud und kaut der gelangweilt Gläser trocknenden
Tabula Rasa (die Neue hinterm Tresen nimmt erfolgreich an Martial Arts-Wettkämpfen
teil) ein gepierctes Ohr ab:
“Hab heute ne Werbung gesehen für Massageliegen von hhp Homo Health Products.
Ich bin nicht schwul, wär aber auch gern gesund.”
Voll daneben ist voll vorbei. Tabula baut sich hoch und schmallippig vor ihm auf
und empfiehlt mit samtener Verachtung in der Stimme:
“Kauf Dir mal ne stärkere Lesebrille, das heißt Human Health Products.”
Lebenslügen im Stadium der Wortfindungsschwierigkeiten. Nicht Du bist vertwittert,
Deine Frau ist verwitwert, der vermeintliche Leichnam ist einfach nur versackt. Besser
verachtet zu werden als keine Gesellschaft zu haben, und in Ermangelung eines
Gebutstagskuchens virtuelle Kerzen auf Tortendiagrammen auszupusten.
Tiefer Fall erledigt…
Wäre der rückständige Isolani nicht für sämtliche Gäste, die `Gin Soaked Boy` noch
aus dem prähistorischen Spätvinylium kennen, die Antwort auf die Frage:
Well who am I?
Zumindest ist die Antwort nicht ernüchternd.